Digitalisierung und Kollektivität

Wie wirkt sich die digitale Transformation auf unser zukünftiges Arbeitsleben aus?

Das Szenario beschreibt die Digitalisierung als vollständige Integration in kollektive Aushandlungsprozesse und demokratische Unternehmensstrukturen. Technologischer Wandel und effiziente Produktionsweisen sind gleichwertig wie die menschliche Arbeitskraft; auf diese Weise wird den Mitarbeitern eine Sicherheit geboten, dass ihr Arbeitsplatz einerseits erhalten bleibt und andererseits modernisiert wird.  Als Resultat verzeichnet sich die Summe aus guten Arbeitsbedingungen und persönlichen Vorlieben.

Digitalisierung Kollektivität

Kollektivitätsfreundlich

Bereits vor geraumer Zeit erkannte man, dass die Digitalisierung nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken und Konflikte mit sich bringt und neue Spielregeln in den Arbeitsbeziehungen fordert. So wurde beispielsweise die Arbeit der Zukunft nicht nur zum Anlass zahlreicher politischer Debatten, Fach-konferenzen, öffentlicher Konsultationsprozesse und vielfältiger Medienberichterstattung, sondern verstärkt auch zum Verhandlungsgegenstand von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Es gilt, ein ausgewogenes Gleichgewicht zu finden und Antworten zu finden:

  • Wie lässt sich verhindern, dass ein Teil der Beschäftigten von der Entwicklung abgehängt wird?
  • Welche neuen Konzepte für die betriebliche Weiterbildung sind zielführend?
  • Welche Daten werden erhoben und wie werden sie genutzt?
  • Welches Maß an Flexibilität können beide Seiten einfordern?
  • Welche gesundheitlichen und psychischen Risiken kommen mit dem Einsatz von immer mehr Algorithmen und Bots im Arbeitsalltag auf uns zu?
  • usw.

Plattform-Ökonomie

Die wachsende Bedeutung von Digitalisierungsthemen weckt gerade bei jüngeren Mitarbeitern das Interesse an der Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit. Doch mit Bezug auf die wirtschaftlichen Turbulenzen und der Auswüchse der plattformbasierten Wirtschaft in den ersten 6 Monaten in 2020 gewinnt die Auseinandersetzung an Schärfe: Wie bringt man Kosten und Nutzen der Digitalisierung so in Balance, dass nur wenige Arbeitsplätze abgeschafft werden während an anderer Stelle bereits neue entstehen? Zudem sollte ein Ausgleich der prekären Beschäftigungsverhältnisse angestrebt werden, denn in vielen Bereichen sind diese mittlerweile Teil der Tagesordnung.

Da die Digitalisierung von Branche zu Branche und teilweise sogar von Abteilung zu Abteilung sehr unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringt, werden den einzelnen Betriebsparteien weitreichende Handlungsspielräume eingeräumt – nicht zuletzt, um auch besser Schritt halten zu können mit dem rasanten Wandel. Doch das Ziel ist es, Unternehmensstrukturen und Mitbestimmungsprozesse transparenter und demokratischer zu machen.

Gerade weil die Welt unübersichtlicher geworden ist, v.a. in den letzten Wochen und Monaten, nimmt das Bedürfnis nach Beständigkeit und Sicherheit zu – privat sowie beruflich: der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz und planbaren Arbeitszeiten wächst tagtäglich. Allgemein geht der Trend wieder in Richtung langfristiger, standardisierter und tarifgebundener Arbeitsverhältnisse.

Denn man darf nicht vergessen, dass mittlerweile selbst bei Werkverträgen sowohl vom Auftraggeber als auch vom -nehmer Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Auch Branchentarifverträge legen Mindeststandards fest, die für alle Beschäftigungsformen gelten, welche Freelancer einschließen. Somit fallen Kosteneinsparungen durch Leiharbeit oder Werkverträge nachvollziehbar klein aus. Doch durch langfristige Bindungen profitiert nicht nur der Arbeitnehmer, sondern zusätzlich auch die Arbeitgeberseite: es kommt zu stabilen Verhältnissen und einem Wettbewerb, der nicht über Personalkosten ausgetragen werden muss.

2030: Kollektiv, gemeinsam stark

Szenario: Arbeitgeber  und -nehmer zusammen in einem Boot

Der steigende Anteil an älteren Erwerbstätigen und der Umstand, dass mehr Menschen Angehörige pflegen, tragen ebenfalls dazu bei, dass die Mobilität abnimmt. Die Arbeitsmärkte werden wieder regionaler. Um das Knowhow dennoch im Unternehmen zu halten und weiterzuentwickeln, werden die berufsbegleitenden Weiterbildungssysteme ausgebaut. Von den öffentlichen Behörden werden Standards gesetzt, deren Umsetzung im Rahmen von Bildungsmaßnahmen durch unternehmensinternen Bildungsträger erfolgt.

Die Integration digitaler Innovationen in den Arbeitsalltag erfolgt anhand von Kriterien, die weit über die bloße Machbarkeit und betriebswirtschaftliches Kalkül hinausgehen. Nicht alles, was technisch möglich ist, wird auch umgesetzt. Auf Unternehmensebene gilt der Grundsatz: keine neuen Algorithmen ohne Einbeziehung des Betriebsrates. Körperlich belastende Tätigkeiten können durch Digitalisierungs- und Automatisierungsprozesse weitgehend eliminiert werden. Digitales Echtzeit-Monitoring der Sicherheit am Arbeitsplatz sowie der Gesundheit der Arbeitnehmer ist inzwischen die Regel.

Dort, wo in Folge des technologischen Wandels sehr eintönige Tätigkeiten oder andere Belastungen entstehen, wird eine Verringerung der Arbeitszeit als Kompensationsmittel eingesetzt. Um als Arbeitgeber bzw. Interessenvertretung attraktiv zu bleiben, wird stärker auf individuelle Bedürfnisse eingegangen. Nahezu alle Tarifverträge enthalten inzwischen unterschiedliche Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle, aus denen die Beschäftigten die für sie stimmigste Option wählen können. Viele entscheiden sich für weniger Arbeitszeit statt mehr Gehalt.

Nicht nur im wirtschaftlichen Abschwung haben sich die starke Mitbestimmung und die gute Zusammenarbeit von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite bewährt. Auch der in den 2020er Jahren anstehende Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise kann nur so schnell vorangetrieben werden, weil wechselseitiges Vertrauen besteht:

Letztlich sitzen Arbeitgeber und -nehmer im selben Boot, wenn es darum geht, das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Daher hat es oberste Priorität, Prozesse zügig effizienter zu machen und der Energie- und Ressourcendurchsatz sowie umweltschädliche Emissionen drastisch zu verringern.

Ökologische und soziale Nachhaltigkeitskennzahlen definieren nun ausdrucksvolle Größen in der Bilanz, weshalb die nahtlose Integration von Daten über Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Nutzung und Entsorgung von Produkten ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur umweltgerechten Kreislaufwirtschaft ist.

Im Jahr 2030 beträgt die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland 26 Stunden/Woche: Arbeitszeitverkürzungen, demografischer Wandel und effektive Qualifizierungssysteme tragen dazu bei, dass es eine ausreichende Anzahl guter Arbeitsplätze mit optimalen Anforderungen gibt.

Für Betriebsvereinbarungen wird inzwischen umgangssprachlich der Begriff ‚Algorithmus‘ verwendet. Digitale Datenerfassungssysteme sind zwar allgegenwärtig, jedoch sind die Bereiche klar definiert, in denen der Arbeitgeber „datenlos zusehen“ muss, damit die Persönlichkeitssphäre der Beschäftigten gewahrt bleibt. Diese Entwicklung ist kein Selbstläufer gewesen.

„Es gilt jene gesellschaftlichen Kräfte zu aktivieren und zu stärken, die sich in der digitalisierten Welt für gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen und den digitalen Wandel entsprechend mitgestalten.“

(Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)

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